Wer glaubt denn heute noch an Geister? Gibt es die überhaupt? Berichte und angebliche Beweise gibt es genügend. Laut Claudia Becker (siehe Welt Online v. 31.2012) kopflose Gestalten durch Deutschland reisen. National Geographic v. 1. Oktober 2021 berichtet Simone Kapp über Geisterjäger, Spukschlösser und Ähnliches. Laut Focus Online haben drei von vier Menschen außergewöhnliche Erscheinungen. Immer noch scheint ein gewisser Prozentsatz an Hexen und den Teufel, an übersinnliche Wahrnehmungen etc. zu glauben. So glaubten laut Umfragen aus dem Jahr 1976 ca. 8 % der Westdeutschen an Hexen und Teufel, 16 % an übersinnliche Wahrnehmungen, und 11 % an einen physisch auftretenden Teufel. (1) Laut der SZ v. 16.12.2016 glaubt jeder sechste an Geister.
Der Geisterglaube so alt wie die Menschheit. Er kommt in fast allen Religionen vor, z. B. in Thailand oder auch besonders in Afrika. Auch in der die Bibel gibt Geister, Dämonen und den Teufel. (2)
Was hat es mit dem Glauben an Gespenster, Dämonen etc. auf sich? Warum glauben Menschen immer noch die Existenz von Geistern, Untoten, Dämonen und an den Teufel? (3
Welche Motive könnten sich dahinter verbergen? Lässt sich das erklären, insbesondere auch die Faszination der Horrorgeschichten in Literatur und Film? [siehe Post „Die Faszination des Übersinnlichen“), m.a.W. kann man von Geistern lernen? Ja, meint Fabian Bernhard in seinem spannenden Artikel. (siehe Philomag v. 10.11.2021). Bernhard bezeichnet Geister als „Störmeldung“.
Allerdings habe die Wissenschaften mit dem Geisterglauben ihre Probleme. Besonders seit dem 19. und 20 .Jahrhundert versuchten Philosophie und Psychoanalyse den Geisterglauben zu entmythologisieren. (3) Sie verstünden sich als „Ghostbusters“ „Ihre Tätigkeit zielt auf das Herstellen von Transparenz und Erklärbarkeit. Sachverhalte werden in Aussagesätze eingeschlossen und Phänomene auf kontrollierbare Begriffe gebracht. (Ebd). Geister lassen sich jedoch nicht einfach wegerklären. Geister erscheinen meist am jenseits rationaler Wirklichkeitserfahrung und meist sehr subjektiv. „Wenn Geister Anzeichen von Störungen sind, dann sind Affekte das Medium, in dem sich diese Störungen zuerst zur Geltung bringen. Hinter jedem Geist steht ein Affekt: ein latentes Unbehagen, eine unerklärliche Irritation, ein verängstigtes Aufhorchen und Zusammenzucken, die subtile Ahnung einer längst vergessenen Trauer oder Schuld.“ Auch die erst relative junge Wissenschaft der Parapsychologie versucht paranormale, also gespenstische oder übernatürliche Ereignisse wissenschaftlich zu untersuchen.
Fabian Bernhard plädiert dafür die Erfahrung zu verstehen. Man müsse nur die richtigen Fragen stellen, „um von ihnen zu lernen.“ Denn „Die bösen Geister zeigen sich heute in neuem Gewand“, so Frank Walter Steinmeier in Israel 2021. (Siehe Spiegel.de v. 2021). Laut Robert Harrisson verfolgten Tote in vielen Kulturen die Lebenden und erinnerten sie an Schuld und nicht erfüllten Verpflichtungen gegenüber den Toten. Die Aufgabe ist es die Toten zu erlösen und sich mit ihnen zu versöhnen, ein Thema in vielen Filmen. (5)
Was also können wir von Geistern? „Wir schulden nicht nur denjenigen etwas, die vor uns gekommen sind, sondern auch denjenigen, die nach uns leben werden“, so Fabian Bernhard. Die Aufforderung könnte also bestehen sich mit der Vergangenheit zu versöhnen, um sich selbst zu heilen. Und wir können lernen, …“dass Begriffe wie Leben und Tod, Anwesenheit und Abwesenheit, Gegenwart und Vergangenheit nicht immer absolut trennscharfe Kategorien darstellen. Sie sind immaterielle Verkörperungen dessen, was sich klaren Zuordnungen entzieht.“
Im Übrigen literarische und filmische Darstellungen des Horrors und des Schrecken Lernerfahrungen bereithalten. Wie Mythen und Märchen beinhalten sie tiefe Einsichten in seelische Verfasstheit von uns Menschen. Während die Mythen uns erzählen, wer wir sind und woher wir stammen, begleiten Märchen in allen Kulturen im psychischen Reifungsprozess vom Kind bis zum Erwachsenen. (Siehe auch. Märchen, Planet Wissen, 2002). (6)
___________________ Anmerkungen
1) Zit.: Durst Uwe, 2001, Theorie der phantastischen Literatur, Tübingen, 66. Ähnliche Untersuchungen in anderen Ländern sprechen von ähnlichem Ergebnis. In Großbritannien glaubten 1980 22 % der Bevölkerung z.B. an schwarze Magie, 28 % an Kontakte mit Toten, 24 % an den Teufel. Laut einer Gallup Umfrage aus dem Jahr 1982 antworteten mit Ja, als sie gefragt wurden, ob sie an den Kontakt mit Toten glaubten. (S. Literaturangaben in: ebd., 66, Fußnote 306)
2) Das NT berichtet wie Jesus Menschen begegnet, die vom Teufel, Dämonen oder unreinen Geistern besessen sind. (vgl. Mk 5,1-20) . Magdalena (heilte er von Dämonen (vgl.LK 8-1-3). Heute geht die Exegese eher davon aus, dass es sich hier um psychosomatische Symptome handelt, wie etwa die Epilepsie. Siehe auch: Wenn die Angst vorm Teufel zur fixen Idee wird, Deutschlandfunk vom 1010.2016.
3) Siehe auch die ZDF-Dokumentation Mythos: Geister und Gespenster aus ZDF-Dokumentationen v. 8.2.2021 v. 8.2.2021.
4) Vgl. dazu: Interview mit Walter von Lucado auf Geo.
5) (Siehe den Film Flatliners von 1990/Neuverfilmung Flatliners 2017).
6) Vgl. dazu psychoanalytische Literatur- und Filminterpretation. e – Literarur..Reli
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