Der Mensch hat ein grundlegendes Bedürfnis nach Antworten und Orientierung bezüglich existenzieller Fragen wie: Woher stammen wir? Was ist das Wesen des Menschen? Existiert ein Leben nach dem Tod? Darüber hinaus stellt sich die Frage, "how do we relate to the great forces of life and death, female and male, creation and destruction, light and darkness""? Die Antworten fanden sie in den großen Erzählungen ihre Mythen und Märchen. (Vgl. Science Fiction ist Märchen der rational-aufgeklärten Welt". Sci-fi meets Science II.2.2.)
Die gegenwärtige Welt ist nahezu vollständig entmytholgisiert, doch die Fragen bleiben In der heutigen Zeit sind es Künstler, Autoren und Filmemacher, die Mythos für die Gegenwart kommunizieren. (Joseph Campbell, zitiert in Vogler, 1999). Die Bilder und Symbole des kollektiven Unbewussten haben das Potenzial "tieferliegende Schichten der Wahrnehmung beim Betrachter zu aktivieren". (Röll, S. 21). Es besteht eine Ähnlichkeit zwischen Science-Fiction und klassischer Mythologie: Letztere schafft lebendige Mythen über den Stellenwert der Menschheit im Universum unter Rückgriff auf wissenschaftliche sowie religiöse und philosophische Denkweisen.
Heute wird der Mythos in der Philosophie, Theologie und Psychologie wird der Mythos wieder gewürdigt, auch wenn er hin und wieder mit dem Logos kollidiert. (Vg.Fritsch, Lindwedel, Schärtl, 36) Die Grenzen zwischen den Disziplinen verschwimmen. (Simkin, 2016)
Das zentrale und alles übergreifende Thema im Mythos und in Science-Fiction ist die Frage nach dem Wesen des Menschen. Was defininiert ihn, "trotz aller Künstlichkeit als Person"? (Vg.Fritsch, Lindwedel, Schärtl, 24).
Gene Roddenberry beabsichtigte mit Star Trek, die 'conditio humana' darzustellen. (Vgl. Vieweg 11f). Mit der Enterprise dürfen wir in die Tiefen des philosophischen Denken eintauchen, und dabei gleichzeitig die unentdeckten Bereiche unserer eigenen Seelenlandschaft erkunden. (Vgl. dazu: Psychotherapie in Literatur und Film III.2; Psychotherapie in Literatur & Film III/3). Dazu einige Beispiele aus Star Trek-Episoden.
1. Philosophische und theologische Anthropologie: Ist der Mensch gut oder böse?
Seit Jahrhunderten beschäftigt sich die Philosophie mit dem Wesen des Menschen, von Platon, Aristoteles, und Thomas von Aquin über René Descartes, Immanuel Kant, Jean Paul Satre. (Vgl. Mensch Definition » Was macht uns als Menschen aus? (IHJO Magazin). Was ist der Mensch? (Immanuel Kant). Friedrich Nietzche behauptet: 'Der Mensch ist das noch nicht festgestellte Tier". Aber wieviel tierische Anteile determinieren uns? Kann unsere Vernunft unsere Natur im Zaum halten? Gegen Gruppenaggressionen kann die Vernunt wenig ausrichten. Aktuelle Beispiele dafür gibt es momentan genug, z.B. Nahen Osten. Propaganda und Demagogie gegen der vermeintlichen Feind haben sich die Seele der Menschen eingebrannt. (Vgl. Kindheit zwischen Zorn und Gewalt v. 05.10.2024. Jeder Mensch besitzt eine dunkle Seite, auch Nationen (vgl. Post vom...), die er meist verdrängt und auf Personen oder Umstände projiziert, wie z.B. Shinzon in Star Trek X: Nemesis. (1)
“To be human is to be complex. You can’t avoid a little ugliness — from within — and from without.” (James T. Kirk, “Requiem for Methuselah”)
In der Literatur und im Film wird dieser innerpsychische Konflikt mit der Figur des Doppelgängers verdeutlicht. Der Protagonist begegnet sich selbst in seinem Gegner, Sherlock Holemes und Moriarty, James Bond und Spectre u.a..
Anders verhält es sich, wenn sich die beiden abgespaltenen Persönlichkeitsanteile Zwilling oder Alter-Ego gegenüberstehen, etwa Clark Kent auf sein Alter-Ego, den "bösen" Superman, trifft (sukjektal), wie im Film Clip gezeigt. C. G. Jung nennt diesen Anteil den Schatten. Damit hat die Moderne einen Mythos erfunden, der "sowohl ihr Leiden an der Entfremdung als auch ihre Leidenschaft für Grenzüberschreitungen ausdrücken konnte". (Frank Müller). (1)
Darum geht es in The Enemy Within (TOS Staffel 1, Ep. 5). Auf der Enterprise gibt es auf einmal zwei Captain Kirks, einer gute, der andere böse. Beide wollen leben. Am Ende ekennt Kirk, dass b
Kirks nur überleben können, wenn die Persönlichkeisspaltung wieder rückgängig gemacht werden kann und beide wieder eins werden. Kirk muss einen Schattenanteil akeptieren und integrieren, alles in allem eine beängstige und bedrohliche Erfahrung für ihn, wie er am Schluss bemerkt. Zum Menschsein gehären beide Seite.
“It can be argued that a human is ultimately the sum of his experiences"
Auch im zehnten Kinofilm Star Trek X: Nemesis spielt das Thema eine Rolle. Captain Picard begegnet sich selbst in seinem Klon Shinzon. Um Shinzon von seinem Rachefeldzug abzuhalten, erinnert ihn an die Gemeinsamkeiten, die beide teilen. "Your heart, your hands heart, you eyes is the same as mine, the blood pumping in you, the raw materiel is the same. We have the same
potential". Was Menschsein bedeutet, vollzieht sich in der Fähigkeit über sich hinaus wachsen und die Fesseln der Vergangenheit abzuschütteln, autonom zu werden, to make yourself more than you are". Doch Shinzons Vergangenheit hat Spuren hinterlassen. Er könne sich nicht mehr ändern. "It is too late. I cannot fight what I am". Die Szene zeigt uns, dass die Fähigkeit zur Selbsttranszendenz ist eine der wesentlichen Eigenschaft des Menschen ist. (Vgl. dazu Lessons from Star Trek II.2.5) 2. Philosophische und theologische Anthropologie: Ethik und Gewissen Die Fähigkeit moralische und ethische Entscheidungen zu treffen, ist ein weiteres Wesensmerkmal des Menschen. Er ist nicht von vornherein determiniert. Diese Eigenschaft bestimmt sein Verhalten im Umgang mit anderen Menschen. Ethische Entscheidungen werden im Gewissen getroffen. Es die angeborene Instanz, die den Menschen anleitet das Gute zu wollen und das Böse zu lassen. (John Henry Newmann). Obwohl angeboren, muss sich das Gewissen entwickeln. Mit welchem Recht darf man Gesetze übertreten, so wie Kirk, Picard, Janeway und andere Crew Mitglieder immer wieder tun. Gilt die Gesetzestreue oder die Freiheit des Gewissens? Ist es z.B. ethisch zu rechtfertigen, Verdächtige ohne Gerichtsverfahren zu inhaftieren und zu foltern, um wichtige Informationen über terroristische Anschläge zu bekommen,
In Star Trek VI: The Undisvored Country soll Kirk und die Enterprise einen Anschlag auf die Friedenskonferenz zwischen der Förderation und den Romulanern verhindern. Spock wendet seine vulkansichen Technik des Mind-Melt bei Lieutenant Valeris an, um an Informationen den Ort des Anchlag und deren Drahtzieher zubekommen. Offensichtlich ist es Folter, wenn man am Gesichtsausdruck von Valeris sehen. Rechtfertigt die Gefahr eines Krieges diese Maßnahme? Nach 9/11 folterten die Amerikaner verdächtige Terroristen oder brachten sie in Länder, die foltern erlauben, gerechtfertigt unter dem Namen Rendition.
Der amerikanische Psychologe Lawrence Kohlberg entdeckte anhand typischer Dilemma-Situationen, dass sich die moralische Urteilsfähigkeit des Menschen über sechs Stadion entwickelt.
Eine Person auf Stufe vier orientiert an bestehenden Regeln und Gesetze, was einem autoritären Gewissen entspricht. Captain Kirk hingegen handelt meist auf der fünften oder sechsten Stufe und bgegründet sein Handel auf der Basis universellee ethischen Prinzipien. Seine Entscheidungen sind Beispile für das humanistische Gewissen. Es drückt das Selbstinteresse des Menschen an sich und seiner Integrität aus. Das autoritäre Gewissen dagegen beschränkt sich auf den Gehorsam des Menschen, auf seine Selbstaufopferung, seine Pflicht oder gesellschaftliche Anpassung (Erich Fromm) (Siehe Kohlbergs Stufen der moralischen Entwicklung).
"There are times, sir, when men of good conscience cannot blindly follow orders".
Weitere Folgen der Star Trek Reihe behandeln das Thema, mit welchen Begründungen in fast ausweglosen Situationen Gewissenentscheidungen gerechtfertig werden.
Die Eröffnungszene von Star Trek II: The Wrath of Khan ist eine fiktive Einführung die Theorie des Gewissens. Lieutenant Saavic muss in einen Gewissenkonflikt zwischen zwei Übel entscheiden. Es handelt sich um den sogenannten Kobayashi Maru Test. Die Herausforderung besteht in Extremsituation die richtige Entscheidung zu. Da es sich um eine No-Win-Situation handelt, kann
sie nur verlieren. Dagegen protestiert sie, da sie keine faire Chance gehabt habe. In Simalationen wie dem Kobiyasu Maru Test es um richtig oder falsch, sondern um die ethische Rechtfertigung einer Handlung.
Später erfahren wir, dass nur Captain Kirk den Test als Offiziersanwärter den Test bestanden
hatte.
Er hatte die Bedingungen geändert und den Test umprogrammiert. I haven't faced death. I've cheated death. I've tricked my way out of death and patted myself on the back for my ingenuity; I know nothing." (James T. Kirk.Weitere Beispiele, siehe Einer für alle, alle für einen". Sci-fi meets Science II.2.3.
„Ich glaube nicht an No-Win-Szenarien“.
Ein wichtiger Aspekt der Ethik betrifft den Umgang des Menschen mit Tieren (Star Trek IV: The Voyage Home). Alle Religionen und spirituelle Tradionen wissen um die Bedeutung der Erfurcht vor der Leben. "Ich bin Leben, das leben will, in mitten von Leben, das leben will". (Albert Schweitzer) De Buddhist Thich Nhat Hanh nannte es INTER-BEING - alles ist eins.
“Every living thing wants to survive.” (Spock)
Davon handelt die Star Trek Folge The Devil Inside (dt. Horta rettet ihre Kinder, TOS 1, Ep. 25) Auf einem Planeten hat ein Monster 50 Minenarbeiter getötet. Nun soll Captain Kirk es töten. Als er sah, dass es verwundet war, weigert er sich und versucht mit dem Wesen zu kommunizieren - NO KILL. Es stellt sich heraus, dass das Wesen nur seine Nachkommen beschützen wollte, die die Minenarbeiter getötet haben. Die Lesson dieser Folge: "To co-exist with other creatures, even those whose appearance may be repellent". (CBS, 2O16).
Der Mensch - gut oder böse? Die Menschheit vor Gericht
Verfügt der Mensch über die Fähigkeit zur autonomen Entscheidungsfindung oder handelt es sich hierbei lediglich um eine Illusion, wie Neurowissenschaftler wie Gerhard Roth und Wolf Singer postulieren? Sollte dies zutreffen, wäre es nicht möglich, den Menschen für seine Fehler und Gräueltaten zur Rechenschaft zu ziehen. Ferner stellt sich die Frage der Verantwortlichkeit im Falle eines Fehlers einer Künstlichen Intelligenz. Daher lautet die zentrale Fragestellung in diesem Kontext: Ist der Mensch von Natur aus gut (Jean Jacques Rousseau) oder böse (Thomas Hobbes) argumentier? Dies ist ein Thema, mit dem sich die Philosophie seit Jahrhunderten auseinandersetzt und welches entscheidend dafür ist, ob man den Menschen für sein Handeln verantwortlich machen kann. Der Roman Clockwork Orange von Anthony Burgess widmet sich dieser spannenden Frage.
Was bedeutet es, böse zu sein? Eugen Drewermann und die forensische Psychiaterin vertreten die Ansicht, dass niemand von Natur aus böse ist. (Weitere Inforomationen, siehe: Eugen Drewermann, Von der Unfreiheit des freien Willens; Sabine Hossenfelder: «Freier Wille – das macht keinen Sinn»; Video-Podcast: Woher kommt das Böse in der Welt? | Lanz & Precht), Interview mit der Forensikerin Nahlah Saimeh)
Diese philosophische Frage nach dem Bösen bildet den Kern der Folge Encounter to Farpoint. (TNG I. Ep.1) Während des Jungfernflugs zur Fairpoint Station wird die USS Enterprise unvermittelt von einer übermächtigen Entität namens Q aufgehalten. Q entführt Captain Picard und seine Besatzung und konfrontiert sie mit einem Gerichtsurteil aufgrund angeblicher Verbrechen der Menschheit, wobei er ein Todesurteil verhängt.
Picard versucht zu beweisen, dass sich die Menschheit geändert und aus ihren Fehlern gelernt habe. Der Vollzug wir vorübergehend ausgesetzt und die Enterprise fliegt zum Planeten. Es stellt sich heraus, dass Bewohner auf Farpoint Station eine fremde Lebensform versklavt haben. Mit ihr können sie Energie in Materie umwandeln. Anstatt die Bedrohung eliminieren, gelingt es das Wesen zu befreien.
Das Thema taucht bereits in Jonathan Swifts Satire Gulliver's Travels von 1726 auf. In dem zweiten Buch reist Gulliver ins Land der Riesen. Da er klein ist, wird er oft verspottet und wie ein Spielzeug behandelt; trotzdem versucht er zu zeigen, wie großartig seine eigenen Leute sind – ebenso wie sein eigenes Ansehen – indem er erwähnt, dass sie das Schießpulver erfunden haben. Der König reagiert entsetzt darauf und erklärt die Menschheit als "the most pernicious race on earth".
__________________________________ Anmerkungen
Nach Immanuel ist der Mensch ein autonomes Wesen, das sich mit Hilfe seiner Vernunft selbst Regeln zu setzen vermag. In seinem Roman Lord of the Flies (1954/1990) beschreibt William Golding, dass dieser Versuch zum Scheitern verurteilt ist. Ohne den Einfluss der Kulttur verroht der Mensch, wie wir es an Jack erkennen zum Wilden regrediert. Das Quartett Simon (Prophet) Piggy (Vernunft), Jack ("Tier") und Ralph (Krieger) verkörpern die verschiedenen Anteile der Personlichkeit. In TOS symbolisiert Captain das Ich-ideal (Freud) , Leonard McCoy die Emotionen und Spock die Logik und Vernunft. In TNG ist es Picard als Königsarchetypus, der unterschiedlichen Persönlichkeitsanteile mit einander verbindet - Whorf als emotionaler Krieger, Data als der Intellektuelle, Drs. Crusher und Polanski als Ärzte zuständig für die Gesundheit, Georgi für den Körper und Deanna Troy für Psyche bzw. Seele und Riker als Stellvertreter Picards - die glorreichen Sieben auf der Enterprise
In der Serie The Walking Dead wird genau dieses Thema durchgespielt. Wie kann der Mensch in extremen Situation ohne Kultur seine Moral und Menschlichkeit bewahren.
Als literarische Beispiele gelten Frankenstein von Mary Shelley, The strange case of Dr. Jekyll and Mr. Hyde" (R. L. Stevenson), Sherlock Holmes und Moriarty (Arthur Conan Doyle), Lord of the Flies (William Golding) oder Clockwerk Orange (Anthony Burgess). Beispiele für Spielfilme sind u.a. Superman 3, Spider-Man 3 oder Batman: The Dark Knight.
Sigmund Freud: Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse (1916/17) Studienausgabe Bd 1, S. Fischer Verlag, Frankfurt a.M., 12. Aufl. 1994. S. 283f. Im 20. und 21. Jahrhundert
muss der Mensch weitere Kränkungen verarbeiten. Die Relativitätstheorie, Quantenmechanik, Konstruktivismus, Neurowissenschaften zum Thema Willensfreiheit und die künstliche Intelligenz. _________________ Literatur:
Brooks, R., 2002, Flesh and Machine, How Robots will change us, New York.
Hulshutt,R., 2024 10, Times Star Trek: TNG Was Funny Because Of Data Klein, M., 2016. Was macht den Menschen zur Person?, auf SciFi, abgerufen am 12.12.2024 um 12:20 Uhr. Warkus, M., 2019, Was den Menschen zum Menschen macht, auf Spektrum.de, abgerufen am 12.12.2024 um 12:10 Uhr.
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